11.11.2012

Bangkok unlimited



Hallo ins herbstliche Deutschland,

wir melden uns nach fünf ereignisreichen Tagen im schwülheißen Bangkok, einer Stadt wie ein Abenteuer: Temperaturen gut über 30° Celsius, Luftfeuchtigkeit über 80%, die Stadt ist hektisch, laut, schmutzig und stinkt aus allen Ecken. Bangkok steht kurz vor dem Verkehrsinfarkt, eine Smogglocke hängt über der Stadt, man kann die Luft fast schneiden und nach kurzer Zeit tun einem die Lungen weh. Aber: Bangkok hat Charakter und unglaublich viel zu bieten: nächtliche Straßenmärkte, traumhaft schöne Tempelanlagen, ein angenehmes Flair und super leckeres Essen. Unsere Unterkunft lag etwas abseits der Silom Road, einer 6 spurigen Hauptstraße, über der noch eine Hochbahn fährt. Uns umgaben kilometerlange Nachtmärkte, die sich auf den Gehwegen ausbreiteten, dutzende Bars, Massagesalons, Restaurants und auch das unumgängliche Rotlichtgeschäft.

Nach unserer Ankunft am Montag verbrachten wir den Resttag eher ruhig und haben die Gegend rund um unsere Unterkunft erkundet. Der Dienstag war bis zum Abend ein absolut gebrauchter Tag. Wir wollten morgens zum STA Travel Reisebüro, um unsere Weiterreise nach Burma zu organisieren. Wir hatten uns Adresse und Route über Google Maps rausgesucht, aber nicht mit den chaotischen thailändischen Verhältnissen gerechnet. Hausnummern? Keine Spur. Und wenn, dann nicht einmal in richtiger Reihenfolge. Da sich auch das Kartenmaterial als völlig falsch herausstellte, waren wir nach über einer Stunde erfolglosen Herumlaufens wieder zurück am Hostel. Naja, irgendwann waren wir dann tatsächlich am empfohlenen Reisebüro, nur um festzustellen, dass dort kaum einer Englisch spricht und erst recht nicht Flüge oder Unterkünfte für Burma buchen kann. Das hieß für uns wieder zurück zur Unterkunft und das Ganze selbst in die Hand nehmen, was sich als extrem schwierig herausstellen sollte. Flüge waren kein großes Problem, aber eine Unterkunft für den ersten Stopp in Mandalay zu finden erwies sich zunächst als unmöglich. Sämtliche von Lonely Planet oder in Reiseforen empfohlenen Unterkünfte waren voll, ausgebucht bis Ende November(!). Irgendwann gaben wir auf, wir wollten zumindest noch ein bisschen was vom Tag haben und schlossen uns am Abend ein paar Amerikanern zum Besuch beim Muay Thai an.


Thaiboxen gilt als die härteste Kampfsportart überhaupt und ist Nationalsport hier. Dementsprechend häufig sind die Kämpfe angesetzt – fast jeden Tag kann man das Kräftemessen nach Thai Art in einem der beiden großen Stadien Bangkoks sehen.  Dabei stehen nicht selten 9 Kämpfe auf dem Abendprogramm, die verschiedene Alters- und Gewichtsklassen abdecken und von denen eine Begegnung als Hauptkampf besondere Aufmerksamkeit genießt. Als wir am Stadion ankamen, wurden wir natürlich sofort als Touristengruppe identifiziert und mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht. Nachdem wir trotz „special prices“ mit Sicherheit die teuersten Karten überhaupt erstanden hatten, ging es sofort ins Innere des Lumpinee Stadiums, wo wir prominent direkt am Ring platziert wurden. Wer die Vorstellung hatte, das Thai-Boxen sei hier zu einer Art Touristenattraktion verkommen, wurde schnell eines besseren belehrt. Zwar wurden die teuren Plätze rund um den Ring hauptsächlich von westlichen Zuschauern besetzt, aber sämtliche Stehränge waren voll mit lokalen Fans und Wettkönigen. Der erste Kampf zwischen zwei sehr jungen Kämpfern hatte gerade begonnen, und wir konnten die Atmosphäre im Stadion, mit Trommeln und Musik, auf uns wirken lassen. Nach 2 Kämpfen, die immer 5 Runden zu je 3 Minuten dauerten, hatten wir schon einen ersten Eindruck von der Spannung und Härte im Thai-Boxen bekommen. Event Nummer 3 aber hat uns dann sehr deutlich gezeigt, wieso dieser Sport als so brutal gilt. Schon in Runde 2 erlitt einer der Kämpfer durch einen Ellenbogen-Check des Gegners eine Platzwunde über dem linken Auge. Das schien allerdings nur seine Aggressivität zu steigern. Jedenfalls sahen wir in den nächsten zehn Minuten zwei permanent blutüberströmte Kämpfer, die ohne Unterlass aufeinander eindroschen. Daran muss man sich als friedliebender Mensch erst einmal gewöhnen. Der Menge schien es jedenfalls zu gefallen, lautstark wurden beide Seiten angefeuert und jeder Treffer / Schlag bejubelt. Bevor Ihr uns jetzt aber für Barbaren haltet, die nach Blut geifern, soll hier noch einmal betont werden, dass es sich doch um einen Sport handelt, der nach festen Regeln abläuft, mit Schiedsrichter und notfalls schneller medizinischer Versorgung... Die nächsten Kämpfe waren weniger spektakulär, aber gegen Ende immer spannend. Interessanterweise waren die beiden Kämpfe vor und nach dem Hauptkampf deutlich intensiver als der Hauptkampf selbst – da half es auch nichts, dass sich dann alle Touristen mit dem „Champion“ ablichten lassen durften. Alles in allem war es ein wirklich krasser, außergewöhnlicher Abend, wie wir ihn sicher so nicht mehr erleben werden.

Am Dienstag morgen haben wir dann – mit Liveberichterstattung zur US-Wahl als Hintergrundkulisse – die Myanmarplanung erneut in Angriff genommen, und siehe da, nach einigen erfolglosen Anrufen konnten wir uns doch tatsächlich noch ein Doppelzimmer in einem Hostel in Mandalay sichern. Derart beflügelt wurde auch der Rest der Rundreise durchgeplant, so dass wir kurz vor halb zwölf für alle Stationen eine Bleibe gebucht hatten. Danach ging es schnell zur Botschaft, um noch rechtzeitig ein Visum zu beantragen. Da so viel Aktionismus und dazu noch die heiß-schwülen Temperaturen ihren Tribut zollen, wurde der Nachmittag eher ruhig, bis wir uns doch noch mal aufraffen konnten. Und zwar ging es zu einem Schneider, den wir bei Tripadvisor gefunden hatten, einer Online-Bewertungsplattform für Reisen. Wir entschieden uns für diesen Schneider, weil er neben Herrenanzügen (was einige Thai-Schneider gut können) auch sehr gute Kostüme für Damen anfertigt. Natürlich brauchte es wieder eine gute Stunde und einige Umwege, bis wir an der richtigen Adresse waren, aber letzten Endes konnten wir uns selbst ein Bild vom Atelier machen. Nach langer Beratung und Betrachtung der Referenzen (der Laden hängt voll mit tausenden Visitenkarten internationaler Unternehmen) haben wir uns beide für einen Anzug entschieden. Auch das war eine besondere Thai-Erfahrung – Verkaufsgeschick, enorme Freundlichkeit und professionelles Maßnehmen.

Am Donnerstag war es dann endlich soweit: es ging in die Innenstadt Bangkoks. Beim Frühstück hatten wir zwei Reisende aus Australien und England kennen gelernt, und so ging es zu viert via Skytrain und Boot den Fluss hoch Richtung Zentrum. Auf dem Plan standen diverse Tempel und der Große Palast. Leider mussten wir schon kurz vor dem ersten Tempel eine unfreiwillige Pause einlegen. Das schwülheiße Wetter und die dunkelgrauen Wolken führten zu einem starken Gewittereinbruch, bei dem an  Außenbesichtigung erst einmal nicht zu denken war. Aber es dauerte nicht lange, da ließ der Regen nach, und wir konnten Wat Arun, eine Tempelanlage westlich des Flusses, besichtigen. Nach Flussüberquerung und Thai-Mittagessen ging es dann weiter zum Wat Pho, dem Tempel des liegenden Buddha. Besonderheit ist – wie der Name schon andeutet – eine große, vergoldete, liegende Buddha-Statue. Aber auch sonst sind die Anlagen durchweg beeindruckend. Zahlreiche kleine und große Hallen, reich verziert und wunderschön erhalten, laden zum Betrachten, Verweilen und Besichtigen ein. Da nach der Besichtigung Wat Phos der Große Palast schon geschlossen hatte, ging es weiter zur Kaosan Road, der Backpackerstraße schlechthin in Bangkok. Alles voller Hostels, Straßenverkäufer, Essensstände, billiger Schneider, Ausweisfälscher und Touristenklitschen – sehenswert, aber wir waren froh, dass wir in einem etwas weniger touristischen Viertel untergekommen sind.

Der Freitag war der letzte Tag in Bangkok vor unserer Myanmarreise, und auch an diesem Tag stand einiges auf dem Programm: Großer Palast und Smaragdbuddha, Visum abholen, erste Absteckprobe beim Schneider, und natürlich Packen. Allerdings war es so unglaublich heiß und schwül, dass wirklich alles nur mit großer Mühe und im Schneckentempo vonstatten ging. Die Palastanlage mit angeschlossenem Tempel waren erneut sehr beeindruckend, doch das Wetter und die Tatsache, dass man lange Kleidung tragen musste, schlugen definitiv auf die Besichtigungsstimmung. Die besserte sich erst wieder nach Mittagessen und kühlem Getränk, und als wir beide unsere Visa für Myanmar in den Händen hielten, war die Vorfreude groß. Mit der Reise nach Myanmar wartet gegen Ende unserer Reise noch ein richtiges Abenteuer auf uns...

Nach einer sehr erfolgreichen Anprobe beim Schneider, einer abschließenden Thai-Massage für Simone und erfolgreichem Packen endete unser erster Bangkokbesuch, und die Bilanz ist alles in allem positiv – eine wirklich verrückte, chaotische, volle, laute, heiße, stinkende, aufregende Stadt, und wir freuen uns darauf, noch zwei mal wiederzukommen. Gestern morgen ging es dann aber erst einmal früh zum Flughafen. Nach kurzem Flug und wilder Taxifahrt sind wir gut und sicher in Mandalay gelandet und haben schon erste, überwältigende Eindrücke gewonnen – mehr davon im nächsten Bericht, Ihr dürft gespannt sein.

Viele liebe Grüße,

Carsten und Simone

PS: Ja, es gibt Internet in Myanmar!

PPS: Falls Ihr irgendwas über die Nachrichten mitbekommt: heute morgen gab es hier ein Erdbeben der Stärke 6,6. Es ist hier aber nichts passiert und uns geht es gut, das Hostel steht noch ;-)


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