18.11.2012

Wechselhafte Tage in Bagan

Hallo zusammen,

diesmal melden wir uns aus Bagan, unserer zweiten Station in Myanmar. Wie bereits im letzten Bericht erwähnt, ging es mit dem Boot von Mandalay aus gen Süden auf dem Irrawaddy, und zwar seeeehr früh morgens. Bevor wir aber von der Reise erzählen, möchten wir noch einmal kurz den letzten Abend in Mandalay rekapitulieren. Der war nämlich geprägt von den Folgen des etwas verspätet einsetzenden Kulturschocks. Obwohl wir in Mandalay schon einiges Schönes erlebt hatten, drängten sich an diesem Abend vor allem die fremden und weniger schönen Eindrücke in den Vordergrund. Myanmar ist für uns fremd wie nichts anderes zuvor, mit schönen Landschaften und freundlichen Menschen, aber es ist gleichzeitig auch ein hartes, unterentwickeltes Land. Was man auf den Bildern nicht sieht, ist der Geruch, der permanent durch die Straßen zieht, die Armut, der (so verwöhnt das jetzt auch klingt) niedrige Lebensstandard, und die Tatsache, dass man als blonder Westeuropäer einfach nicht untertauchen kann - man wird eben permanent angestarrt, allerdings ohne, dass es zu einer Kontaktaufnahme oder richtigen Gesprächen kommt - dazu reichen die Englischkenntnisse der Leute hier nicht. Und wenn man den ganzen Tag mit diesen fremden Eindrücken konfrontiert wird, man dann müde, reizüberflutet und schmutzig zurück ins Hostel kommt, wo ein verschimmeltes Badezimmer wartet und man das Toilettenpapier nicht in die Toilette spülen darf, weil die Abflussrohre dafür nicht geeignet sind, dann kann einen das schon mal mitnehmen. Nach kurzer Diskussion, ob wir an unseren Reiseplänen festhalten wollen, haben wir beschlossen, die Bootsfahrt und unsere Ankunft in Bagan abzuwarten und erst dann zu entscheiden.

Der Morgen begann früh, um 3:45 ging der Wecker, damit wir pünktlich um 4:30 das Taxi nehmen konnten. Das war allerdings nicht da, und die Kollegen an der Rezeption schienen leicht überfordert zu sein, uns noch eines zu besorgen. Zusammen mit einer amerikanischen Mitreisenden sind wir dann aber doch noch pünktlich zum Bootsanleger gekommen, um noch einen guten Plastikstuhl auf dem Deck des Schiffes zu ergattern. Auch das "Slowboat" gehörte zu den einfacheren Transportmitteln - die Einheimischen hatten es sich auf Matten gemütlich gemacht, den Touristen wurden Plastikstühle an die Reling gestellt, dazu wurden Säcke mit Lebensmitteln und anderen Gütern geladen. Nach markerschütterndem Hupen ging es dann gegen 5:30 los, zwischen 12 und 15 Stunden Flussfahrt lagen vor uns - viel Zeit zum Lesen, Musikhören, und Nichtstun. Sobald die Sonne aufgegangen war, konnte man an den Ufern des Irrawaddy-Flusses sehen, wie die ländliche Bevölkerung in Myanmar lebt - von Ochsen gezogene Pflüge, zwischendurch ein paar Holzhütten, Felder. In Mandalay hatten die meisten Menschen noch in "richtigen" Häusern gewohnt, hier auf dem Land lebt die Bevölkerung jedoch noch sehr einfach - waschen im Fluss, keine Elektrizität etc... Zwischendurch hielt das Boot immer wieder an einem dieser kleinen Dörfer, Güter wurden entladen, neue Säcke auf das Schiff gebracht. Und es kamen die Essensverkäuferinnen, die so gar nicht in das Bild der freundlichen, zurückhaltenden Burmesen passten, das der Lonely Planet zeichnet - mit großer Penetranz wurden uns von mindestens 20 verschiedenen Frauen Früchte, Mais, Samosas oder andere Verpflegung ins Gesicht gehalten, unser Sitznachbarin gar in den Schoß geworfen und lautstark angepriesen. Der Ansturm dauerte eine gefühlte Ewigkeit, und als das Schiff ablegte, waren wir einfach nur erleichtert.
Man kann natürlich verstehen, dass die Frauen Geschäfte mit den Touristen machen möchten, die ja Geld bedeuten, aber wir können (und wollen) einfach nicht jedem einen heißen Maiskolben abkaufen, den wir dann nicht essen, nur weil wir denken, wir helfen der Familie damit. Bei den übrigen Stopps war das Verkaufsgebahren etwas weniger aggressiv, aber die Angebote wurde den ganzen Tag über kontinuierlich wiederholt. Am krassesten fanden wir das Angebot, uns gegen Geld segnen zu lassen... Ansonsten war die Fahrt allerdings sehr ruhig und gemütlich, und am Abend ließ sich wunderbar der Sonnenuntergang über dem großen Fuss bewundern.

Gegen halb acht legte das Schiff schließlich in Bagan - Nyang U an, unserer Haltestelle. Noch auf dem Schiff wurden wir von Taxifahrern belagert, so dass wir - zusammen mit einer unglaublich dreisten Mitreisenden, die sich einfach vorgedrängelt und in unser Taxi-Arrangement gebombt hat - schon bald Richtung Hostel aufbrachen. Die werte Dame nahm ganz selbstverständlich auf dem Sitz neben dem Fahrer Platz, während wir uns auf die Tragfläche des Jeeps setzen mussten. Unsere Rucksäcke wurden auf das Dach verfrachtet. Doch wir kamen nicht weit - nach nur 200 Metern wurden wir (wie alle anderen) unsanft von der Polizei gestoppt, um die Ankunfts- und Tempelgebühr von 10 USD für Bagan zu entrichten. Als wir dann endlich am Hostel ankamen und erfuhren, dass für die Nacht unser Doppelzimmer mit eigenem Bad nicht frei war, wir also mit den Gemeinschaftstoiletten und -duschen vorlieb nehmen müssten, waren wir leidlich entnervt, aber gut. Wir haben also unser Quartier bezogen und sind dann erst einmal schön essen gegangen. Als in der Nacht jedoch für Carsten diverse Toilettengänge anstanden, weil er etwas Falsches gegessen hatte, und Simone in der Zeit mit einer Riesenkakerlake den Kampf aufnehmen musste, stellte sich uns am nächsten Morgen erneut die Frage, ob wir wie geplant weiterreisen oder unseren Aufenthalt verkürzen - was mit größeren Umbuchungskosten verbunden gewesen wäre. Aber, wie das meistens so ist, bei Tag ist alles halb so wild - wir sind in unser Zimmer mit eigenem Bad und funktionierendem W-LAN (!) umgezogen, es gab für Simone ein leckeres Frühstück, für Carsten Tee und Butterkekse, und nach einer langen Dusche haben wir beschlossen, die Sache durchzuziehen. Den Resttag haben wir entspannt verbummelt - zum einen, weil das Wetter regnerisch war, zum anderen, weil Carsten sich noch auskurieren mussten. So haben wir auf der Terrasse lediglich den Abend mit einem netten deutschen Pärchen verbracht und bis spät abends gequatscht.

Auch am Freitag war das Wetter regnerisch, aber inzwischen hatten wir unsere Ruhe wieder gefunden und konnten die unfreiwillige Gammelpause genießen - erst ein schönes Frühstück, anschließend Quatschen mit Amy, im Internet surfen und lesen. Zu fünft (wir, Amy und das deutsche Pärchen) ging es dann zum Mittagessen in ein nettes kleines Restaurant, und da der Regen nicht aufhören wollte, ging es danach wieder auf die Terrasse. Wirklich eine schöne Abwechslung zum aufreibenden Mandalay. Die Ruhe des Ortes tut gut, weniger Gehupe, weniger intensive Gerüche, und die Bewohner des Örtchens Nyaung U, in dem wir untergekommen sind, sind schon an die Touristen gewöhnt.

Am Samstag war es dann endlich soweit - es ging zu den berühmten Tempelfeldern von Bagan. Bei grauem, aber trockenem, schwül-heißem Wetter sind wir losgeradelt, immer die staubige Hauptstraße entlang, bis irgendwann links und rechts die ersten roten Ziegelpagoden sichtbar wurden. Der Großteil der Tempel liegt zwischen dem Nyaung U im Norden und Alt-Bagan südlich davon - Alt-Bagan, weil 1990 alle Bewohner des Ortes in einer Nacht- und Nebelaktion umgesiedelt wurden, und zwar nach Neu-Bagan. Vom alten Dorf ist nicht viel geblieben außer der alten Stadtmauer und Touristenrestaurants. Auf einer Fläche von über 40 Quadratkilometern sieht man hier über 2000 kleine und große Tempel verstreut - mal einzeln, mal gruppiert, die meisten gebaut zwischen 11. und 13. Jahrhundert, wenngleich man auch neuere Bauwerke oder aber kürzlich vorgenommene Reparaturen erkennen kann. Wir sind beeindruckt von der Fülle an Bauwerken, wenngleich die Tempel selbst wenig Abwechslung in ihrer Gestaltung bilden - die Größe variiert, ebenso die Verzierung der Wände oder die Pagodenform, aber (fast) alle sind aus rötlich-braunen Ziegeln errichtet und beherbergen Buddha-Statuen (hier variiert lediglich die Pose oder die Haltung der Hände).

Dank der Fahrräder konnten wir sehr gut zwischen verschiedenen Tempeln hin- und herfahren und die Anlagen erkunden. Einzig der Eifer der Souvenirverkäufer konnte unsere Stimmung etwas trüben. In Nyaung U hatten wir noch erfreut zur Kenntnis genommen, dass Touristen hier nicht mehr als seltsame Wesen wahrgenommen und dementsprechend angestarrt wurden. An den Tempeln mussten wir die Kehrseite des fortgeschrittenen Tourismus erkennen - zahlreiche Händler taten ihr Bestes, um T-Shirts, Bilder und lackierte Holzkunst zu verkaufen. Die Verkaufstechniken reichten von Penetranz (man fragt erst 3 mal Carsten, dann 3 mal Simone, um dann wieder auf Carsten zurückzukommen), über freundliche Konversation ("Where do you come from - ah, Germany, guten Tag") bis hin zu moralischer Erpressung (eine Burmesin sagte, sie arbeite im Tempel, erklärte uns einige Merkmale der Anlage, sagte dann, dass sie Holzwaren verkaufen würde, und dass man ihr ja jetzt etwas abkaufen solle, schließlich habe sie ja auch uns geholfen). Spätestens hier mussten wir erkennen, dass wir schlichtweg mit einer falschen Vorstellung nach Myanmar gekommen waren - die freundlichen, unbedarften Burmesen, mit denen man laut Lonely Planet ins Gespräch kommen und über die Lage der Welt, das eigene Leben und Myanmar reden kann, die gastfreundlich und offen sind, haben wir leider bisher nicht getroffen. Kommunikation ist entweder aufgrund der Sprachbarriere nicht möglich, oder aber die Kontaktaufnahme dient ausschließlich dem Zweck, ein Geschäft mit uns abzuschließen. Jetzt kann man fragen, was schlimm daran ist, da es ja an vielen anderen touristischen Orten auch so ist. Wir hatten aber doch irgendwie die (falsche) Erwartung, dass die Begegnungen mit der einheimischen Bevölkerung anders sein würden.

Die Nachtruhe von Samstag auf Sonntag wurde gegen 4:30 jäh unterbrochen, als sich bei Carsten ein neuer, noch heftigerer Anflug von Magen-Darm-Infekt zeigte. Übelkeit, Durchfall, Erbrechen, Schüttelfrost, das volle Programm. Nach kurzen Nachforschungen konnten wir Malaria ausschließen (kein Fieber, Inkubationszeit von rund 12 Tagen, und da es sowohl in Bangkok als auch in Mandalay keine Malaria-Mücken gibt, kann es schlichtweg keine Malaria-Infektion sein). Dank voll ausgestatteter Reiseapotheke konnten wir aber eine geeignete Therapie einleiten, und er befindet sich (langsam) auf dem Weg der Besserung. Dementsprechend ruhig war der Sonntag, wir haben viel gelesen und ausgeruht. Morgen geht es dann - stabile Gesundheitslage vorausgesetzt - weiter zum Inle-See, von wo wir uns dann in ein paar Tagen erneut melden.

Viele liebe Grüße,

Simone & Carsten

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen