12.10.2012

Halbzeitbericht: Roter Wein und Rotes Zentrum

Am gestrigen Donnerstag war für uns Halbzeit für die große Reise um die Welt. 69 Tage seit Abflug in Köln/Bonn, 69 Tage bis wir wieder genau dort ankommen. 69 Tage, in denen wir netten Menschen begegnet sind und viel schönes gesehen und erlebt haben. Noch 69 Tage Zeit, um weiter Australien zu erkunden und das große Abenteuer Südostasien zu begehen.

Jetzt geht es aber erst einmal darum die vergangene Woche Revue passieren zu lassen. Unser Weg nach Australien führte von Christchurch über Auckland nach Adelaide, wo wir nach längerer Zeit mal wieder eine Unterkunft über Couchsurfing ausgemacht hatten. Nach Abholung unseres Mietwagens quartieren wir uns also bei Sam ein, einer 41 Jahre alten Sozialarbeiterin, die zeitgleich noch ein Mädel aus Holland zu Gast hatte. Dank unserer vorangegangenen, sehr schlaflosen Nacht im Auto und Flugzeug verlief der restliche Freitag sehr ruhig mit ausruhen, kochen und interessanten Gesprächen. Sam geht nicht irgendeiner Sozialarbeit nach, sondern hat mit den Abgründen der Gesellschaft zu tun. Sie schreibt Beurteilungen über Gefängnisinsassen, hat mit Kindesmisshandlungen und häuslicher Gewalt zu tun und schiebt Schichten am Notfalltelefon für Opfer sexuellen Missbrauchs – alles im Dienste einer Regierungsbehörde. Wir könnten diese Arbeit niemals tun, ohne nicht völlig den Glauben an das Gute im Menschen zu verlieren. Umso größer ist unser Respekt vor ihr! Und sie hat darüber hinaus noch einen klasse Humor und ist sehr herzlich.

Am Samstag hatte sie uns drei Gäste auf eine Weintour durch das McLaren Vale eingeladen, eine Gegend für das Schöne und Leckere im Leben. Gute Restaurants, gemütliche Cafés, eine handvoll Mikrobrauereien und natürlich dutzende Weingüter laden hier die Gäste ein. Weinproben sind völlig kostenfrei und ungezwungen. Man kommt einfach zu diesen „Cellar Doors“, wird in jeder Stube herzlich empfangen und darf sich durch die Weinliste schmecken. Die Menschen sind freundlich, offen und hilfsbereit, völlig unabhängig von ihrer Nationalität. Egal ob Australier, Schotten, Engländer, Iren – irgendetwas scheint das Land mit den Menschen zu machen, die hier leben. Wir besuchten eine Reihe von Weingütern, die alle mehr zu bieten haben als nur Wein. Bei der ersten Weingut, der Settlement Vinery, konnte man den fantastischem Shiraz bei einem tollen Blick auf das Tal und die umgebenden Hügelketten probieren. 
Die Woodstock Vinery hat neben großartigem Cabernet ein eigenes kleines Tierreservat, wo kranke und verletzte Kängurus und ein Koala leben. Die Shingleback Vinery wiederum ist bekannt für ihren Schokoladenwein, der uns aber überhaupt nicht geschmeckt hat (Wein und Schokolade = lecker, Schokolade im Wein = eher nicht). Zwischendurch haben wir nach dem Mittagessen auch eine der kleinen örtlichen Brauereien besucht. Goodieson's Brewery ist nicht größer als eine durchschnittliche Sporthalle, macht aber schmackhaftes Bier. Die beiden Besitzer haben vor langer Zeit mal in Österreich gelebt und waren fasziniert von der Auswahl und Qualität von Bieren in Deutschland. Sie haben über fast 15 Jahre hinweg kontinuierlich auf die Gründung ihrer eigenen Brauerei hingearbeitet und brauen heute saisonabhängig ihr Pilsner, Pale Ale, Weizenbier, Maibock und andere Sorten. Eine tolle Geschichte! Wir ließen uns natürlich gerne vom tollen Geschmack der örtlichen Produkte überzeugen und deckten uns ein bisschen mit Wein und Bier ein. Ein paar gute Abende sind uns in jedem Fall gewiss :-)

Am Sonntag brachte uns Sam dann zum Bahnhof und wir verließen Adelaide in Richtung Norden, auf einen völlig bekloppten Trip. Wir hatten uns erst vor zwei Wochen entschieden (nochmal) unser Erspartes zusammen zu kratzen und eine Extratour organisiert, denn vier Wochen Australien zu bereisen ohne das Great Barrier Reef und ohne den Uluru (Ayers Rock) zu sehen, erschien uns irgendwie falsch. Zeit und Kosten abwägend blieb als Möglichkeit nur der Uluru und so saßen wir also am Sonntagmittag im weltberühmten Ghan Zug. Benannt nach den afghanischen Kameltreibern, die bis 1929 den Personen- und Warenverkehr zwischen dem australischen Norden und Süden sicherstellten, verkehrt der Ghan heute zwei Mal wöchentlich in beiden Richtungen zwischen Adelaide im Süden und Darwin im Norden. 2.979km in 54 Stunden bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 85 km/h quer durch den Kontinent. Bei Einzelbesetzung umfasst der Ghan 16 Wagons, 471 Meter Länge und 850 Tonnen Gewicht (+ 132t Lokomotive). Und das gibt es auch noch als Doppelbesetzung, also alles mal zwei! Der Zug verlässt Adelaide Richtung Norden und durchquert zunächst weite Getreidefelder. Nach einigen Stunden wandelt sich die Landschaft und man erreicht die endlose Steppenlandschaft des australischen Outbacks. Trockene Gräser und Büsche stehen in hartem Kontrast zur allgegenwärtigen roten Erde.

Unser Ziel war Alice Springs, ungefähr auf der Hälfte der Strecke. 24 Stunden Zugfahrt in der Holzklasse, die für sich aber schon mit sehr viel Beinfreiheit und ganz bequemen Sitzen aufwartete. Wir hatten das Glück eine freie Vorderreihe zu haben, und da diese sich drehen ließ, konnten wir uns gut über den 4er Bereich ausbreiten. Die Fahrt verlief völlig komplikationslos, vom wenigen Schlaf mal abgesehen. Am Montag in Alice Springs angekommen konnten wir feststellen, dass sich nicht nur die Landschaft, sondern auch das Wetter deutlich verändert hatte. 36° Grad im Schatten ließen uns den Rest des Tages nicht aus jenem weichen. Wir beschlossen nicht in die Innenstadt zu gehen, sondern verbrachten den Nachmittag und Abend in dem kleinen Hostel, in das wir uns eingemietet hatten. Unser Doppelzimmer bestand aus einem der im Garten geparkten Wohnwagen. Auch mal ein neues Konzept. Aber das Bett war halbwegs bequem und es gab kostenfreies Internet und Frühstück. Sehr gut!


Am Dienstagmorgen hieß es dann früh raus aus den Federn, denn um 6 Uhr startete unsere 2-Tagestour zum Kings Canyon und Uluru. Warum so früh? Nun, es muss keiner denken, dass man den Uluru von Alice Springs aus sehen könnte. Das Red Center ist RIESIG, erstreckt sich über unendliche Weiten. Eine einzelne Rinderfarm mit 5000 Tieren hat da gerne mal die Größe Belgiens! Und es gibt eine Menge Farmen dort! 

Es brauchte 6 Stunden Busfahrt (mit Pausen) um uns nur zum Kings Canyon zu bringen. Hier sieht man, woher das Red Center seinen Namen hat. Rote Erde soweit das Auge reicht und roter Stein, der sich links und rechts vom Canyon erhebt. Leider konnten wir nur die kurze Wanderung durch den Canyon unternehmen, denn bei über 40° im Schatten um 12 Uhr und weiter steigenden Temperaturen wäre es unverantwortlich gewesen, den Rim Walk oberhalb des Canyon anzugehen. Als wir ankamen erfuhren wir, dass gerade erst ein dehydrierter Tourist von den Flying Doctors evakuiert werden musste. Kein Wunder, wenn man geschätzt 1 Liter Flüssigkeit pro Stunde verliert, ohne es zu bemerken. Bei diesen hohen Temperaturen verdunstet der Schweiß so schnell, dass man gar nicht wahrnimmt, dass man schwitzt. Unser Tourführer sagte uns vorab, dass er niemanden mitnimmt, der nicht mindestens 2 Liter Wasser bei sich hat.


Trockene Hitze, über 40° Grad Celsius und rote Erde klingen nach Wüste? Weit gefehlt! Es regnet im Schnitt ca. 350mm/Jahr, also zumindest knapp die Hälfte wie zuhause. Mit dem kleinen Unterschied, dass die Regenmenge im Outback an vereinzelten Tage im Jahr zusammenkommt. So gibt es denn auch im Kings Canyon einen Bach, der die meiste Zeit im Jahr trocken ist, aber an den wenigen Regentagen im Jahr Menschen wegreißen kann. Im Outback überspannen Brücke große Flussbetten und überall an den Straßen stehen Schilder, die vor Überflutung warnen. Und es geht noch überraschender: Im Outback gibt es heutzutage – dank moderner Technik – für Menschen keine Wasserknappheit mehr. Ein riesiges unterirdisches Wasserbecken erstreckt sich seit 350 Millionen Jahren von den Philippinen, unter dem Pazifik hindurch bis in das australische Outback. Das Wasser unterquert die Landschaft teilweise in nur 15 Metern Tiefe. Man erkennt es an den Desert Oaks (Wüsteneichen), die mit ihren Wurzeln diese Wasserschichten erreichen. Diese und andere Pflanzen sind Grundlage für eine erstaunliche Artenvielfalt, von der wir nur wenige große Tiere gesehen haben: die unvermeidlichen Kängurus und Emus, wilde Pferde und Kamele, Dingos und große Adler mit bis 2,5 Meter Flügelspannweite.

Nach dem Kings Canyon, der leider nicht ganz so beeindruckend war, wie viele Touranbieter propagieren, ging es ein paar hundert Kilometer zurück nach Erldunda. Ein kleiner Haufen Häuser im Nirgendwo am Stuart Highway, der das Outback in Nord-Süd-Richtung durchquert - insgesamt nicht mehr als eine Tankstelle mit Bar, Kiosk und angeschlossenem Motel, wo wir die Nacht auf unserer 2-Tagestour verbrachten. Am nächsten Morgen ging es von hier mit einem aus Alice Springs kommenden Bus weiter. 

Unsere Ziele an diesem zweiten Tag waren die Kata Tjuta (The Olgas) und der Uluru (Ayers Rock). Über Nacht hatte es deutlich abgekühlt. Die Hitzewelle wurde durch eine starke Windfront vertrieben, die leider nicht nur die Temperatur auf angenehme 26° senkte, sondern auch eine Menge Sand und Asche aufwirbelte. Und so war leider die Sicht auf die bei tollem Wetter mit Sicherheit beeindruckenden Gesteinsformationen stark eingetrübt. Ein kurzer Halt an den Olgas war auch zu wenig, um sich ein gutes Bild dort machen zu können. 

Am Uluru machten wir mehrere Stationen, besuchten das (aus unserer Sicht wenig gelungene) Kulturzentrum der Aborigines und hatten mehrere kurze Wanderungen am größten Mololithen der Welt. Es ist schon mal interessant, diesen solitären Felsen aus rotem Sandstein im Nirgendwo des australischen Outbacks zu sehen. Auf Bildern und aus der Entfernung sieht man ja meist nur den großen roten Klotz in der Landschaft stehen, dabei ist er deutlich vielseitiger: mal schroff, mal ganz glatt geschliffen, mit tiefen Einbuchtung, Wasserbecken und Höhlen, in denen die Aborigines Malereien hinterlassen haben, die Auskunft geben über Wasserstellen und Jagdgebiete. Viele Stellen rund um den Uluru sind den Aborigines heilig und die markantesten Felsformationen interpretieren sie als Zeugnisse ihrer Mythen und Geschichten.

Am Abend gab es dann noch ein Barbecue mit Sicht auf den Uluru, in Gesellschaft zahlreicher anderer Reisegruppen. Leider verging der Sonnenuntergang auf Grund der schlechten Sicht wenig beeindruckend und so verließen wir dann auch recht zügig den Nationalpark in Richtung Alice Springs. Gut fünf Stunden später erreichten wir unser Hostel mitten in der Nacht und fielen erschöpft in die Betten. Nach ein paar Stunden Schlaf ging es am Donnerstag mit dem Ghan wieder in Richtung Adelaide. Hier hatten wir Glück im Unglück. Wir fanden wieder einen freien 4er-Bereich, hatten aber leider zwei Leute vor uns sitzen, die … nun ja – stanken. Man kann es nicht anders sagen. Auch den anderen Gästen und dem Zugpersonal fiel es schnell auf, sie konnten aber selbst mit dem Einsatz von Deo und Desinfektionsmittel wenig erreichen. Es war wirklich unerträglich und so wurden wir beide am Ende tatsächlich in die höhere Zugklasse hochgestuft, hatten unsere eigene 2er-Kabine mit richtigen Betten und waren darüber nicht gerade unglücklich. So ließ es sich doch entspannter nach Adelaide zurückreisen.

Jetzt sind wir wieder im Süden und haben über 4.600 km mit Bus und Bahn in knapp 120 Stunden hinter uns gebracht. Unser Fazit: Uluru und Kings Canyon sind auf jeden Fall eine Reise wert, aber so einen Aufwand für so einen kurzen Aufenthalt würden wir nicht nochmal betreiben. Die Fahrerei raubt einem einfach extrem viel Zeit, und die braucht man eigentlich vor Ort, um sich alles in Ruhe angucken zu können.

Vielen Dank fürs Lesen dieses extra langen Berichtes und beste Grüße in die Heimat

Simone & Carsten  

PS: Noch viel mehr Bilder gibt es wie immer in den Fotogalerien!



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